EÜK : Straelen

Kulturstaatssekretär

Hans-Heinrich Grosse-Brockhoff

Grußwort

zur Verleihung des

Übersetzerpreises der Kunststiftung NRW

an Gerhardt Csejka 


Literarisches Übersetzen ist eine stille und wenig beachtete Kunst. Sie ist noch stiller als die Literatur an sich. Letztere wird wenigstens gelegentlich laut und mehr oder weniger effektvoll gefeiert – wenn z.B. ein Buch zum Bestseller geworden ist, wenn ein Autor oder eine Autorin den Nobelpreis erhält, wenn in Köln die lit.cologne stattfindet oder während der Buchmesse ganz „Leipzig liest“ (so der Titel des umfangreichen und eindrucksvollen Begleitprogramms der Leipziger Buchmesse). Für Übersetzer aber findet kein Festival statt. Ihr Name steht auf keinem Cover und taucht in keiner Bestsellerliste auf.

Aber wie sähe die literarische Welt aus ohne Übersetzerinnen und Übersetzer? Welche Bestseller würde die Welt kennen, wenn sie nicht in andere Sprachen übersetzt würden? Welche Aufmerksamkeit hätten literarische Veranstaltungen wie die lit.cologne, wenn neben den herausragenden deutschen Autoren nicht auch die aus anderen Ländern aufträten, deren Werke in unsere Sprache übersetzt wurden und die wir nur deshalb kennen? Wie eingeschränkt wäre unsere Vorstellung von anderen Ländern und Kulturen, wenn wir deren Literatur nicht kennen würden? Könnten wir überhaupt von Weltliteratur sprechen, wenn uns die großen Werke nicht durch Übersetzungen zugänglich wären?

Die Übersetzung eines literarischen Werkes ist niemals eine Eins zu eins-Wiedergabe des Originals. Sie soll zwar den Ausgangstext möglichst originalgetreu wiedergeben. Aber jede Sprache hat ja ihre ganz eigenen Ausdrucksformen und –möglichkeiten, die es so in keiner anderen Sprache gibt. Das leuchtet unmittelbar ein, wenn man die deutsche und zum Beispiel eine afrikanische oder eine arabische Sprache betrachtet. Aber das gilt genauso für das Niederländische, das der deutschen Sprache so nahe ist, dass wir uns gerade hier im Grenzbereich fast problemlos verstehen.Das gilt in manchem sogar für die verschiedenen Dialekte – denken wir an das Schwytzer Dütsch oder – hier darf man das sicher sagen – an manchen bayerischen Dialekt. Eigene Sprachwelten existieren also, die nur dann werkgetreu in eine andere Sprachwelt übertragen werden können, wenn jemand beide Sprachen wirklich gut kennt. Und auch dann geht es nicht nur um das Übertragen, sondern auch darum, die Spezifika der Originalsprache – Dialekte, einen speziellen Slang oder regionale Besonderheiten so zu übertragen, dass sie für den Leser der Übersetzung als solche erkennbar bleiben. Nicht nur Sprachkenntnis, sondern auch die Fähigkeit zur Interpretation ist Voraussetzung für eine gute Übersetzung.

Dass mit dem Europäischen Übersetzerkollegium eine Einrichtung existiert, die für diese stille und konzentrierte Arbeit ideale Voraussetzungen bietet, ist ein Glücksfall – ganz bestimmt für die vielen Übersetzerinnen und Übersetzer, die hier ein paar Wochen verbringen können, aber auch für das Land Nordrhein-Westfalen. Denn wegen des EÜK kommen viele interessante Menschen in unser Land und lernen eine Region und einen Menschenschlag kennen, die sonst weniger im Mittelpunkt des touristischen Interesses stehen – es aber natürlich mehr als wert sind, beachtet zu werden! Und sie belohnen uns aufs Beste für unsere Gastfreundschaft, indem sie Bücher übersetzen, die uns allen dann wieder neue Leseerlebnisse schenken.

Ich habe eine große Hochachtung vor der Kunst des Übersetzens. Sie erfordert nicht nur hervorragende Sprachkenntnisse im technischen Sinn, sondern auch feinstes Sprachempfinden in beiden Sprachen, literarisches Gespür und – auch das ist eine Kunst – Bescheidenheit. Bescheidenheit dort, wo der Originaltext vielleicht nicht ganz so gelungen ist, wo es dem Übersetzer oder der Übersetzerin ‚in den Fingern juckt’, die eigene, bessere Formulierung oder Ausgestaltung in den übersetzten Text einzubauen. Diese Fähigkeit, sich zurückzunehmen, ist ein weiterer Aspekt meiner anfänglichen Beobachtung, dass literarisches Übersetzen eine stille und wenig beachtete Kunst ist. Aber es ist auf jeden Fall eine Kunst. Und wie jede Kunst braucht sie wenigstens gelegentlich ihre Bühne.

Die Verleihung des Übersetzerpreises der Kunststiftung ist so eine Bühne, die sich erfreulicherweise nun nicht nur alle zwei Jahre, sondern in jedem Jahr einem herausragenden Vertreter der Übersetzungskunst bietet. Diese Bühne gehört heute Ihnen, Herr Csejka – herzlichen Glückwunsch zum Übersetzerpreis 2008!